Abschied von Bbr. Weihbischof em. Dr. Hans-Jochen Jaschke

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HAMBURG. Unsere Bundesbrüder und Bundesschwestern in Hamburg verlegen ihr für den jetzigen Samstag geplantes Stiftungsfest der Unitas Tuisconia in den September. Stattdessen nehmen sie beim Pontifikalamt um 10.30 Uhr im Mariendom Abschied von Bbr. Weihbischof em. Dr. Hans-Jochen Jaschke. Er starb am Dienstag, 11. Juli 2023, knapp sieben Jahre nach seinem Eintritt in den Ruhestand, im Alter von 81 Jahren in Hamburg. Die Totenmesse leitet der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, anschließend wird Bbr. Jaschke in der Krypta des Hamburger Sankt-Marien-Doms beigesetzt. Das Requiem wird auf erzbistum-hamburg.de live übertragen.

Der frühere Weihbischof, der sich Respekt weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus erwarb, ist auch Bundesbrüdern und Bundesschwestern bundesweit als Zelebrant bei Unitas-Generalversammlungen in Erinnerung. „Die Ehrfurcht vor dem Menschen, vor seiner Würde und Unantastbarkeit bestimmen unsere Unitas“, überschrieb er seine Predigt von Bbr. beim Pontifikalamt zum Abschluss der 141. Generalversammlung im Mai 2018 in der St. Marien-Kirche in Bad Homburg v. d. H. (s. unten).

Besonders auch den Hamburger Aktiventag, der mit einer Rekordbeteiligung im Oktober 2011 im Gedenken an die Lübecker Märtyrer stattfand, werden die Teilnehmer nicht vergessen haben. Damals stellte Bbr. Jaschke seinen Festvortrag unter den Titel „Worauf wir uns verlassen wollen – von Vertrauen und Werten, von Gerechtigkeit und Religion“ (mit Gewinn erneut nachzulesen in: unitas2012/1, 16-18). Im Ruhestand trat Bbr. Jaschke weiterhin nur noch selten öffentlich auf, blieb der Unitas aber weiter verbunden. Noch im vergangenen November feierte er das Vereinsfest seiner Hamburger Unitas Tuisconia mit. „Er hat mich und uns erneut in Wort und als Mensch sehr beeindruckt“, schrieb der Hamburger AHV-Vorsitzende Bbr. Matthias Sacher.

Hans-Jochen Jaschke wurde am 29. September 1941 im oberschlesischen Beuthen geboren, studierte Theologie- und Philosophie in Frankfurt und Münster, wurde 1967 zum Priester geweiht und 1974 in München bei Joseph Ratzinger promoviert. Bis 1983 leitete der Theologe das Niels-Stensen-Kolleg in Münster, war anschließend Pfarrer in Quakenbrück, wurde 1989 in Osnabrück zum Bischof geweiht und als Weihbischof in Hamburg eingeführt, das bis zur Gründung des Erzbistums Hamburg 1995 noch zum Bistum Osnabrück gehörte.

Bis zu seinem Wechsel in den Ruhestand im Oktober 2016 war Bbr. Hans-Jochen Jaschke Weihbischof in der Hansestadt. Dabei erlangte er durch seine zahlreichen Medienauftritte auch bundesweite Bekanntheit. Engagiert setzte er sich für den interreligiösen Dialog und die Ökumene ein, trat gegen Rechtspopulismus auf und war auch nach der Aufdeckung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche im Jahr 2010 gefragter Gesprächspartner in zahlreichen Talkshows. „Meinungsstark, mit einer klaren Haltung und ohne Berührungsängste hat Weihbischof Jaschke der Kirche in der Öffentlichkeit ein Gesicht gegeben, und das weit über Norddeutschland hinaus“, würdigte ihn der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Jaschke habe sich außerordentlich um die katholische Kirche verdient gemacht.

Seinen bischöflichen Dienst stellte Bbr. Hans-Jochen Jaschke unter den Wahlspruch: „Donec Dies Illucescat“ – „Bis der Tag erscheint“ aus dem 2. Brief des Apostels Petrus (1,19). Möge er schauen, was er geglaubt und verkündet hat. R.I.P. 

 

Predigt von Bbr. Weihbischof Hans-Jochen Jaschke
zur 141. Generalversammlung am Pfingstmontag 2018
in der St. Marien-Kirche in Bad Homburg v. d. H.

1.

Sie verkündeten das Wort. In dieser Haltung, unter dieser Verpflichtung sind sie in alle Welt gegangen, immer neu herausgefordert, begeistert, an ihre Grenzen gelangt und zurückgeworfen. So wie die ersten Christen bleiben Christen bis heute Anwälte, Zeugen des Wortes, das in Jesus Christus sichtbar, greifbar, hörbar wird. Dieses Wort will jeden Menschen erreichen und ihm seine ganz eigene Würde, seinen Wert, seine Einzigartigkeit versichern. Es ist das Wort, das in einer unübersichtlichen Welt voller Rätsel und Fragen zu uns Menschen spricht und Antworten provoziert. Es lädt zum Dialog, zum Wortwechsel ein.

Rose Ausländer, die große jüdische Dichterin hat in ihrem hohen Alter formuliert: „Erbarme Dich, Herr meiner Leere, schenk mir das Wort, das eine Welt erschafft“.

2.

Pfingsten ist das große Fest des Wortes. Menschen aus allen Völkern hören in ihrer Sprache des Wort von Jesus Christus. Er spricht uns Menschen an, nicht die Klugen und Weisen, sondern die Hörbereiten. Der unendliche Gott, der Vater, hat ihm alles übergeben, er ist im Menschen Jesus offenbar, er wirkt als der Geist. Unter dem Wort Jesu soll uns aufgehen, dass wir nicht Nummern, Elementarteilchen, Kinder des Zufalls sind, sondern worthafte Wesen, die hören und sprechen können. Unsere Ehre ist es, wahre Worte zu finden.

Pfingsten verordnet keine Einheitssprache. Jeder, jede kann in seiner und in ihrer Sprache hören, wie Gott zu uns spricht. Wir ergänzen einander in der Vielfalt und bilden so eine Einheit in Christus.

Unsere Wirklichkeit ist worthaft, von der Logik Gottes bestimmt. Vor der Erschaffung der Welt ist in Jesus Christus das Wort ausgesprochen, das alles zusammenhält, heilt und heiligt. Dieses Wort wird sichtbar im Menschen Jesus, es entfaltet sich in den Menschen, die sich von ihm ansprechen lassen.

3.

So sind wir alle Kirche. Wir lassen uns rufen und ansprechen, sind im Gespräch mit den Menschen. Die Kirche ist nicht ein Verein, eine Partei, sondern die weltweite Gemeinschaft unter dem Wort, im Hören auf die Menschen. Die Kirche verkündet nicht von oben herab, sondern nimmt auf, was Menschen erfahren und lädt so ein Christus zu sehen, auf ihn zu hören. Gemeinsam sind wir herausgefordert, wahre Worte zu finden.

Das zweite vatikanische Konzil stellt die Kirche entschieden in die Welt von heute. Papst Franziskus ruft uns zur Sensibilität für die Menschen auf. Er ermutigt uns, den „Geruch der Schafe“ anzunehmen. Und unsere christliche Kirche hat gelernt im Dialog der Religionen zu stehen. Wir halten fest an der Einzigartigkeit Jesu Christi, die alle Menschen mit einschließt. Wir nehmen die anderen Religionen ernst. Wir laden dazu ein, dass Religion immer im Raum der Freiheit leben muss. Zur Freiheit gehört auch die Möglichkeit, nein zu sagen. Aber Gott bleibt immer größer als unser widerständiges Herz.

4.

So feiern wir die 141. Generalversammlung unserer Unitas, der wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine. Sie hat eine starke Tradition, Männer und mehr und mehr Frauen - ihre Zahl muss steigen - bilden die Unitas.

Als Unitarier lassen wir uns ganz persönlich mit unserem eigenen Leben ansprechen, mit unseren Stärken und Schwächen, mit unseren Nöten und Sorgen. Immer sind wir Kirche in der Welt von heute, dort wohin uns das Leben stellt. Wir haben einen aufmerksamen Blick auf die Worte unserer Welt, durchaus auch kritisch. Ich erinnere an unsere Menschenpflicht zur Wahrhaftigkeit. Lassen wir uns nicht von dreisten Lügen, von Fake-News einschmeicheln oder verwirren!

Zu den Worten gehört das menschliche Wissen, die Wissenschaft in ihren vielfältigen Facetten. Sie ist bewundernswert, aber auch verwirrend und verängstigend in ihrer Unübersichtlichkeit. Ich rufe uns auf: wehren wir uns gegen verführerische Reden, die die angeblichen Fakten nach ihrem gusto bestimmen wollen. Wir sind wahrheitsfähig, wir können die Wahrheit anstreben, und übernehmen Verantwortung für sie. So nehmen wir an den Worten der Menschen teil, nicht besserwisserisch, von oben herab, aber immer unter dem Maß, das der Mensch setzen muss, das er selber bildet. Die Ehrfurcht vor dem Menschen, vor seiner Würde und Unantastbarkeit bestimmen unsere Unitas.

Die Unitas weiß um die soziale Verantwortung und praktiziert sie. Wir Menschen leben im Mit-Sein in der Nähe und in der einen Welt. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass nach dem Scheitern des Marxismus ein Turbo-Kapitalismus um sich greift und den Sieg davontragen will. Wir Christen haben wesentlich zur Entwicklung einer sozialen Marktwirtschaft beigetragen. Sie weist uns einen Weg in unserem Land und über die Grenzen hinaus. Besondere Verantwortung tragen wir in den reichen Ländern für die Menschen in anderen Ländern, besonders für die Krisengebiete unserer Erde. Wir müssen uns schämen, wenn wir durch unsere Vorherrschaft dazu beitragen, dass die Lebenschancen in großen Teilen der Welt so stark beeinträchtigt sind.

Die Bundesgeschwister in der Unitas lassen sich fordern, öffentliche Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft zu übernehmen. Erheben wir unsere Stimme im gesellschaftlichen Diskurs!

Überlassen wir das Feld der „Wissenschaft“ nicht den „Anderen“. Besetzen wir selber dieses Feld mit unseren Kompetenzen.

5.

Pfingsten feiert das Wort, das in alle Welt erschallt, Fleisch geworden in Jesus, dem Menschen, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, der für immer lebt. Er ist leibhaftig in jedem Menschen an allen Orten und zu allen Zeiten auf seine Weise gegenwärtig.

Wir hören nicht auf diese Gewissheit zu verkünden und immer neu zu entdecken.

„Wir müssen wahre Worte finden“ hat die Dichterin Ingeborg Bachmann uns ins Herz geschrieben. Geben wir der großen Rose Ausländer am heutigen Pfingsttag noch einmal zum Schluss das Wort: „Erbarme dich Herr meiner Leere, schenk mir das Wort, das eine Welt erschafft.“