Bbr. Robert Schuman: „venerabilis Dei servus“

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ESSEN. Als es am 19. Juni auf vaticannews gemeldet wurde, haben wir es sofort auf allen Kanälen weiterverteilt: Papst Franziskus hat mit der Promulgation der Beschlüsse der zuständigen Kongregation am Samstag, 19. Juni 2021, einen wesentlichen Schritt auf dem Weg zur Seligsprechung unseres Bbr. Robert Schuman (1886-1963) getan. Bereits die in der französischen Zeitung „La Croix“ veröffentlichten ersten Nachrichten dazu hatten Anfang April 2021 für Aufsehen gesorgt.

„Gründervater des modernen Europa“

Immer wieder hat der Hl. Vater – wie bereits seine Vorgänger - an das Wirken des französischen Staatsmannes und „Vater Europas“ erinnert. Noch Ende Oktober 2020 warb er für eine verbesserte Zusammenarbeit und stärkere Eintracht in Europa und berief sich ausdrücklich auf das Erbe Robert Schumans. In einem offenen Brief an den vatikanischen Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin (Wortlaut) rief Papst Franziskus anlässlich der 50-jährigen Zusammenarbeit zwischen dem Heiligen Stuhl und den europäischen Institutionen dazu auf, in der aktuellen Krisenzeit „den Weg der Geschwisterlichkeit zu wählen“. Die Pandemie sei „wie eine Wasserscheide, die uns vor die Wahl stellt: entweder wir gehen den Weg des letzten Jahrzehnts weiter, der von der Versuchung zur Autonomie geprägt war und steuern so auf wachsende Missverständnisse, Gegensätze und Konflikte zu, oder wir entdecken wieder jenen Weg der Geschwisterlichkeit, der zweifellos die Gründerväter des modernen Europa, angefangen bei Robert Schuman selbst, inspiriert und beseelt hat“, so der Papst.

Traum von einem solidarischen Europa

Es könne kein authentisches Europa ohne die Grundpfeiler geben, auf die es sich historisch gründete, erklärte er und entwarf für die Zukunft die Vision eines Europa der Solidarität: „Ich träume also von einem menschenfreundlichen Europa; von einem Kontinent, in dem die Würde eines jeden respektiert wird, in dem der Mensch an sich einen Wert darstellt und nicht zu einem Gegenstand wirtschaftlichen Kalküls oder zu einer Ware wird; von einem Kontinent, der das Leben zu jedem Zeitpunkt schützt, von dem Moment an, in dem es unsichtbar im Mutterleib entsteht, bis zu seinem natürlichen Ende, denn kein Mensch ist Herr über das Leben, weder über das eigene noch das anderer; von einem Kontinent, der die Arbeit als vorzügliches Mittel sowohl für das persönliche Wachstum als auch für den Aufbau des Gemeinwohls fördert und Beschäftigungsmöglichkeiten vor allem für die Jüngeren schafft. Menschenfreundlich zu sein, bedeutet, Bildung und kulturelle Entwicklung zu fördern.“ Sein zweiter Traum sei die Einheit. Er träume aber auch, so das dritte Element, von Europa als „Familie und Gemeinschaft“, als Ort, der die besonderen Eigenschaften jedes Menschen und jedes Volkes zu würdigen wisse, „ohne zu vergessen, dass sie eine gemeinsame Verantwortung verbindet“.

Verantwortung der Christen

Es brauche ein großzügiges Europa als „einladender und gastfreundlicher Ort, wo die Nächstenliebe – welche die höchste christliche Tugend ist – alle Formen von Gleichgültigkeit und Egoismus überwindet“, so Papst Franziskus. Er träume von „einem gesund säkularen Europa, in dem Gott und Kaiser zwar unterschiedliche aber nicht einander entgegengesetzte Wirklichkeiten bezeichnen; von einem Kontinent, der offen ist für die Transzendenz, in dem die Gläubigen frei sind, ihren Glauben öffentlich zu bekennen und ihren Standpunkt in der Gesellschaft vorzubringen. Die Zeit des Konfessionalismus ist vorbei, aber hoffentlich auch die eines gewissen Säkularismus, der seine Türen für die anderen und vor allem für Gott verschließt, denn es ist evident, dass eine Kultur oder ein politisches System, das die Offenheit für die Transzendenz nicht achtet, auch die menschliche Person nicht angemessen respektiert.“ Damit trügen die Christen heute eine große Verantwortung: „Wie die Hefe im Teig sind sie aufgerufen, das Bewusstsein für Europa wiederzuerwecken, um Prozesse anzustoßen, die neue Dynamiken in der Gesellschaft erzeugen. Ich ermutige sie daher, sich mit Mut und Entschlossenheit zu engagieren, um ihren Beitrag in allen Bereichen, in denen sie leben und arbeiten, zu leisten.“

Verantwortung für den Kontinent der Freiheit

In diesem Geist stand auch die jüngst von allen Delegierten der 144. Generalversammlung des Unitas-Verbandes in Essen einstimmig verabschiedete Europa-Resolution, die von der Unitas an der Ruhr vorbereitet worden war. „Jetzt ist die Stunde Europas: Wir Unitarier bekennen uns zu unserer Verantwortung für den Kontinent der Freiheit“, unterstrich die vom W.K.St.V. Unitas Ruhrania Bochum – Duisburg-Essen – Dortmund zur Bundesversammlung am 4. Juni 2021 eingebrachte Erklärung: „Freiheit heißt Verantwortung“ lautet das Leitwort der 144. Generalversammlung des Unitas-Verbandes in Essen. Im 70. Jahr nach der Gründung der Montan-Union bekennt sich der Unitas-Verband in Verpflichtung gegenüber dem politischen Erbe seines Bundesbruders Robert Schuman zu seiner Verantwortung, dass wir Europa als Kontinent der Freiheit aktiv mitgestalten.“ Im Sinne der unitarischen Prinzipien „virtus, scientia, amicitia“ plädierte die Erklärung für ein Europa der christlichen Tugenden, für ein Europa der Wissenschaft und der Freundschaft: „Der Unitas-Verband versteht dieses Bekenntnis als Selbstverpflichtung, aber auch als Appell an alle Glaubensgeschwister, ihrer Verantwortung als Christen für den Kontinent der Freiheit nachzukommen.“

Geprägt von der Unitas – die Unitas prägend

Im Artikel von Radio Vatikan berichtete Mario Galgano: „Schumans Engagement in der Politik und für ein geeintes Europa sei nicht zu trennen von seinem katholischen Glauben, kann man in vielen Biographien des Politikers nachlesen. So trat er 1904 in Bonn der katholischen Studentenverbindung Unitas-Salia bei, deren Wahlspruch „In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas“ lautet: „Im notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem aber Nächstenliebe“. Ziel der Verbindung war es, die studentische Jugend mit dem Gedanken des christlichen Dienens und der katholischen Soziallehre vertraut zu machen. Stärker als andere katholische Studentenverbände war Unitas am geistlich-religiösen Leben ihrer Mitglieder interessiert.“

Mit der Zuerkennung des sogenannten „heroischen Tugendgrades“ für Bbr. Robert Schuman steht fest, dass er die „göttlichen Tugenden Glauben, Hoffnung und Liebe zu Gott und zum Nächsten sowie die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigung, Tapferkeit und die damit zusammenhängenden Tugenden in einem heroischen Grad verwirklicht hat" – so die Formel, mit der er als „venerabilis Dei servus“ gilt. Nach seiner offiziellen Seligsprechung, der nun nichts mehr im Weg steht, wäre Bbr. Robert Schuman nach den von den Nationalsozialisten als Glaubenszeugen ermordeten Priestern Georg Häfner, Johannes Prassek und Eduard Müller der vierte Selige aus dem Unitas-Verband.

 

Links:

19.06.2021: EU-Mitgründer Schuman auf dem Weg zur Seligsprechung

05.06.2021: „Europa verpflichtet“: Unitas verabschiedet Essener Resolution

28.05.2021: Ruhr-Europatag 2021: Leidenschaftlich für Europa

03.05.2021: Ruhr-Europatag 2021: Agape statt Armageddon

09.04.2021: Bbr. Robert Schuman vor der Seligsprechung?

27.10.2020: Papst träumt von einem „menschenfreundlichen Europa“