Engagiert katholisch und politisch: Bbr. Dr. Paul Hoffacker ist gestorben

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ESSEN. Bbr. Dr. Paul Hoffacker, ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Kolpingwerks, des Bischöflichen Hilfswerks Adveniat und langjähriger Bundestagsabgeordneter, ist am Samstag, 1. April 2023, im gesegneten Alter von 92 Jahren in Essen friedlich gestorben. Bbr. Hoffacker, am 24. November 1930 als siebtes von neun Kindern in Büderich/Wesel geboren, konnte auf eine beachtliche Lebensleistung im Dienst der Kirche und des Staates zurückschauen.

Engagiert in der Kirche

Nach dem Abitur 1951 studierte er Rechtswissenschaften und wurde nach dem 1960 abgelegten zweiten juristischen Staatsexamen 1961 zum Dr. jur. promoviert. Anschließend nahm er seine erste berufliche Tätigkeit als Referent für Recht und Finanzen beim Bistum Essen auf und wechselte 1963-1965 als Referent für Staatsbürgerliche Angelegenheiten zum  Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) in Bad Godesberg. 1965 begann er beim „Sonderreferat Adveniat“ des Bistums Essen und übernahm als Geschäftsführer der Bischöflichen Aktion Adveniat maßgebliche Verantwortung für den Aufbau der Geschäftsstelle, prägte nachhaltig die Entwicklung als eigenständiges, schnell wachsendes Hilfswerk für Lateinamerika und legte den Grundstein für die noch heute gültige Förderpolitik.

1972 wurde Paul Hoffacker für vier Jahre zum Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Verbände Deutschlands gewählt, zugleich übernahm er 1972-1986 den ehrenamtlichen Vorsitz des Zentralverbands des Deutschen Kolpingwerks und war Mitglied im Generalpräsidium. Dort machte er die Anpassung der Verbandsstruktur im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Synode der deutschen Bistümer zum Schwerpunkt seiner Arbeit. Ebenfalls 1972 übernahm er den Vorsitz des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Essen – ein Amt, das er 21 Jahre lang bis 1993 innehaben sollte. Viele Initiativen dieses höchsten Laiengremiums im Ruhrbistum tragen seine Handschrift, so die Aktionen zur Lehrstellenbeschaffung, die Beteiligung katholischer Verbände und Gemeinschaften bei Strukturänderungen im Ruhrgebiet und innerhalb der Kirche.

Engagiert in Gesellschaft und Politik

Politisch war Paul Hoffacker seit frühen Jahren engagiert: 1958 wurde er Mitglied der CDU, war später im Kreisvorstand der CDU Essen, 1975-1979 Mitglied der Bezirksvertretung Essen IX, im Bezirksvorstand CDU Ruhrgebiet und wurde in den Landesvorstand der CDU NRW berufen. 1976 wurde erstmals für die CDU in den Bundestag gewählt, schied 1977 nach 12 Jahren bei Adveniat aus und war seit 1977 Rechtsanwalt. Nach seinem bis 1980 laufenden ersten Bundestagsmandat berief ihn Ruhrbischof Dr. Franz Hengsbach 1981 zum Direktor der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“, dem Haus für Erwachsenenbildung des Ruhrbistums in Mülheim-Speldorf. Für 14 Jahre prägte er dessen Profil. Der damalige Essener Bischof Dr. Hubert Luthe hob zu Hoffackers 65. Geburtstag 1995 und der Verabschiedung in den Ruhestand vor allem die Verdienste für den Auf- und Umbau der „Wolfsburg“ und sein Engagement für die kirchliche Bildungsarbeit hervor. Als Akademie-Direktor habe Dr. Hoffacker das Haus zum „Ort des Dialogs von Kirche und Welt” gemacht.

Neben seiner beruflichen Tätigkeit blieb Bbr. Hoffacker weiter politisch aktiv: In der achten, neunten, elften und zwölften Wahlperiode (1976–1980, 1982/83 und 1987–1994) zog er über die Landesliste der CDU Nordrhein-Westfalen ins Parlament ein. In der zehnten Wahlperiode (1983-1987) war er sogar der einzige direkt gewählte Kandidat der CDU in einem Wahlkreis des Ruhrgebiets. Im Deutschen Bundestag galt sein Einsatz der Sozial- und Entwicklungspolitik: Bis 1994 war der Vater von fünf Kindern unter anderem Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, 1987 Vorsitzender der AG Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und 1990 Vorsitzender der AG Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Gerade in Sachen Schutz des ungeborenen Lebens und auch bei der Verbesserung des Familienlastenausgleichs hat sich unser Bundesbruder, der bei aller Grundsatztreue keineswegs zu den politischen Poltergeistern gehört und dessen Solidarität in der Fraktion anerkannt ist, zu einer Art familienpolitischem Gewissen der CDU/CSU im Bundestag entwickelt“, würdigte ihn Bbr. Klaus-Hermann Rößler zu seinem 60. Geburtstag (Unitas 1990/11-12, 238f.). An wichtigen familienpolitischen Verbesserungen habe Hoffacker maßgeblichen Anteil, so an der Einführung des Erziehungsurlaubs und Erziehungsgeldes für junge Familien, aber auch für die Familienpolitik als politischer Querschnittsaufgabe mit Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaftspolitik.

Engagiert in der Unitas

Schon während seiner ersten Legislaturperiode in Bonn war Paul Hoffacker mit der Unitas Rhenania in Kontakt gekommen - Verbandsgeschäftsführer Bbr. Wolfgang Burr eröffnete ihm den Weg in die Unitas. Die Bonner Rhenanen verliehen ihm 1980 die Ehrenmitgliedschaft und immer wieder ließ er sich gerne zu Vorträgen ansprechen. Auch in seiner Heimat nahm Bbr. Hoffacker aktiv am unitarischen Leben teil: Schon vor der offiziellen Wiederbegründung der Unitas an den Ruhruniversitäten stand er 1989 bei einem Podium der W.K.St.V. UNITAS Essen/Bochum in der Katholischen Studentengemeinde der Ruhr-Universität Bochum Rede und Antwort zum Thema „neue Armut“. (Unitas 1989/12, 172f.) 1991 übernahm er Mitverantwortung im Kuratorium für den Bau des Kinder- und Jugenddorfes in Sachsen und beim Altherrenbunds-Tag am 23. und 24. September 2000 in Essen eines der Hauptreferate (Unitas 2000/5). Unter dem Titel „Welt in der Kirche von heute - Vereinnahmung oder Abgrenzung?“ skizzierte er seine Haltung zu Säkularisierung und Religionskonkurrenz, Kirchenfinanzierung, Religionsunterricht, Ersatzschulen, Krankenhäuser und Schwangerenberatung – „ein besonderes und - wie ich finde - trauriges Kapitel“, wie er erklärte, sowie zu dem damals virulenten Thema Zwangsarbeiterfonds und sparte nicht mit Kritik an Parteien und politische Persönlichkeiten. Dabei plädierte er mit Blick auf das Gesamtthema „Sentire cum ecclesia" für ein ausgeprägtes katholisches Selbstbewusstsein und einen stärkeren politischen Einsatz der Laien.

An der Entwicklung der Unitas Ruhrania nahm Bbr. Hoffacker, der besonders gerne in Essen-Werden die Vereinsfeste mitfeierte, weiter regen Anteil: Er besuchte gerne das neue Unitas-Haus im Borbecker „Feldschlößchen" und sprach 2009 dort zum Anlass „60 Jahre Bundesrepublik“ vor dem Essener Zirkel und der Aktivitas über die Entwicklung der deutschen Nachkriegsrepublik, schwere Anfangszeiten und Glücksmomente der Geschichte, über Höhen und Tiefen der internationalen und Innenpolitik, Persönlichkeiten und Entscheidungen. Nicht zuletzt mit Blick auf die jungen katholischen Studenten mahnte er, sich aktiv politisch zu engagieren: „Ich lernte Konrad Adenauer kennen. Dieser Mann hat mich so fasziniert, dass ich beschloss, der Partei beizutreten. Besonders wichtig war für mich natürlich das C in der CDU.” Doch auch von der Kirche, forderte Hoffacker unmissverständlich, müsse eine gewichtigere Rolle in gesellschaftlichen Fragen übernommen werden. „Bbr. Paul Hoffacker ist uns in seinem Engagement in Staat und Kirche ein Vorbild“, erklärte 2010 der damalige Unitas-Vorortspräsident Sebastian Sasse aus Anlass des 80. Geburtstags. Er sei „beispielhaft den unitarischen Prinzipien gefolgt“, seiner Politik habe man immer angemerkt, dass sie auf den festen Grundsätzen seines christlichen Glaubens beruhe. „Wir Unitarier sind daher stolz, dass wir ihn zu unserem Kreis zählen dürfen“, so der Bbr. Sasse.

Auch in seinem Ruhestand blieb Bbr. Hoffacker nicht untätig: 1993 bis 1997 war er Aufsichtsratsmitglied der Bank im Bistum Essen und 2002 berief ihn Bischof Luthe zum Vorsitzenden des Initiativkreises Nikolaus Groß, der sich dem lebendigen Andenken an das Lebens- und Glaubenszeugnis des Familienvaters und Märtyrers verschrieben hat. Für seinen vielfältigen Einsatz in Kirche und Gesellschaft wurde Bbr. Dr. Paul Hoffacker 1990 Komtur des Ordens vom heiligen Papst Gregor dem Großen und erhielt 1997 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik.

Seine unitarische Familie, der er fast 90 Semester die Treue hielt, war auch am Gründonnerstag, 6. April 2023, bei dem Requiem in der Basilika St. Ludgerus und seiner Beerdigung auf dem Friedhof in Essen-Werden vertreten. Neben Bbr. Dr. Nikolaus Mantel und Bbr. Martin Gewiese nahmen viele Weggefährten aus der Politik Abschied, ehemalige und aktive Bundestagsabgeordnete, der Oberbürgermeister der Stadt, aber auch die Kolpingfamilie begleiteten den Sarg mit zwei Fahnen. Sehr persönliche Ansprachen würdigten seinen immerwährenden Einsatz für den Schutz des ungeborenen Lebens und sein prägendes Vorbild: Er habe seinen Glauben nicht im Rückzug von der Welt, sondern in bewusster Zeitgenossenschaft und im Einsatz für die Welt gelebt.