
ESSEN / BOCHUM / HERNE / DÜSSELDORF. Inspiration, Überraschung, Erfindung, möglicherweise Erkenntnis – was darf man erwarten, wenn man einen Blick ins Seelenleben und Arbeiten der aktuellen angehenden Kunstgeneration wirft? Eine tolle Gelegenheit dazu gibt die jährliche Zeigung der Abschlussarbeiten der Düsseldorfer Kunstakademie: Der quirlige Musentempel wird beim Winterrundgang fünf Tage lang dem interessierten Publikum aller Couleur geöffnet, hinter jeder Tür der riesigen lichtdurchfluteten Atelierhallen locken Sujets und Objekte in allen Materialien und Farben. Auch diesmal machte sich eine rund 20-köpfige Delegation von der Ruhr auf die Wallfahrt an die Eiskellerstraße an den Rhein. Und wurde in der Tat überrascht. -> YouTube: Expedition 2025 an die Düsseldorfer Kunstakademie
Dass sich jedes Material zur künstlerischen Aneignung eignet und dass es bei derzeit über 400 Studierenden an der über 250-jährigen Institution eine große Bandbreite zwischen spontanem Wurf und intellektuellem Overkill geben kann – all das ist zu erwarten. Auch, dass es in jedem Format eine riesige Diversität zwischen souverän eingesetzter handwerklicher Technik und lieblosem banalem Gekleckse und Gekritzel geben mag.
Aber täuscht der Eindruck, dass vieles kaum über verspielte Dekorationsarbeiten hinausgeht, dass Provokation Mangelware bleibt und dass mehr denn je dazwischen geklebtes Kleinformatiges eher an banale Randzeichnungen von langweiligen Sitzungen erinnert? Wie kann es sein - ausgerechnet in diesen Zeiten, dass nur selten der introvertierte Habitus unsicherer Selbstbezüglichkeit überschritten wird und gesellschaftliche Themen kaum eine Rolle spielen? Dass man sich zuletzt eines Eindrucks von Resignation und Überforderung nur wenig erwehren kann?
Die an vielen Stellen plakatierte Erklärung der sehr internationalen Hochschulgemeinschaft zu Rechtspopulismus und -extremismus dürfte da kaum reichen, nicht das Bekenntnis zu Diversität und die entsprechende bunte Riesenfahne auf dem Dach. Perlen wie die engagierte und akribische Bearbeitung der Situation von Zugewanderten dagegen sind rar, auch die Auseinandersetzung mit der Lage verfemter Künstler, die detektivische Untersuchung des Düsseldorfer Stadtraums und Arbeiten zu Identität und Herkunft bleiben beeindruckende Solitäre. Großformatiges - erheblich seltener als in den Vorjahren - kommt und in sehr disparater Qualität daher, dabei besonders überzeugend sind an osteuropäischen und fernöstlichen Kunsttraditionen geschulte malerische Fertigkeiten.
Bleibt diesmal zuletzt also mindestens ein großes Fragezeichen, das durch eine Videoinstallation heftig kommentiert wird: Eine fundamentale, geradezu vernichtende Kritik am „Professor:innen-Team“ der renommierten Hochschule spricht darin eine deutliche Sprache. Sie werden in toto - berechtigt oder nicht - als uninspiriert, nicht ansprechbar, gar als faul, kaum präsent und als Vorbilder gänzlich ungeeignet in die Pfanne gehauen. Was immer solchen Frust befeuert haben mag: Die wieder einmal überall sichtbaren und diesmal in wirklich jeder Ecke sichtbaren Spuren der Eröffnungsparty sprechen ihre eigene Sprache. Eine offensichtliche Zumutung für ein nach dem Augenschein eher ratloses Publikum, das sich übersichtlicher als sonst durch nie zuvor von so ungehemmter Verwüstung gezeichnete Mauern bewegte.
Auch die „Füchschen-Freunde“, die sich im Anschluss traditionell zur lokaltypischen Atzung am benachbarten Altbierbrunnen trafen, trugen manches an ähnlichen Eindrücken zusammen. Für die Organisatoren gilt natürlich auch diesmal: Herzlichen Dank für die Inspiration, die nicht zuletzt in solchen Runden wachsen kann!
CB