Extra-Schicht: Unitas Ruhrania ging unter Tage

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ESSEN / WITTEN. Dicke Socken waren bei diesem Highlight im laufenden Semesterprogramm nicht verkehrt: Ganz schön frisch war es am Samstag, 27. November, bei der Exkursion an die Wiege des Ruhrbergbaus. Fast vier Stunden dauerte die Schicht für die 13-köpfige Besuchsbelegschaft aus Unitas Ruhrania, Unitas Reichenstein, Unitas Anna Westfalia / Franziska Christine und Unitas Rheinfranken auf Zeche Nachtigall in Witten.

Gebückt in die Tiefe

Tapfer und sehr gespannt ging es mit Steiger Michael J. Kaiser ins spärlich beleuchtete Labyrinth der engen Ausbaustrecken. Nach und nach erst legt sich die Zugluft der Bewetterung in den teils anderthalb Meter hohen und dürftig beleuchteten Gängen. Nichts für lange Kerle, Rücken- und Knietraining vom Feinsten in den von Holzstempeln und Kappen gestützten Stollen, die hier auf der Suche nach dem schwarzen Gold per Hand in den Felsen geschlagen wurden. Noch immer glänzt an einigen Stellen die Esskohle, die hier am Eingang zum idyllischen Muttental zu Tage trat. Bis heute sind die durch Urkräfte gehobenen und geschobenen Kohleschichten am Profil des benachbarten Steinbruchs ablesbar, die vor 300 Millionen und mehr Jahren aus carbonisierten Sumpfwäldern des alten Superkontinents entstanden.


Enge Fahrt: Kletterpartien waren auf Zeche Nachtigall inbegriffen.

Wiege des Ruhrbergbaus

Diesen recht flachen Schichten wühlte man hier bereits sehr früh hinterher. Zeche Nachtigall, 1645 erstmals erwähnt, zeigt die frühe Phase der späteren Schwer- und Verbundindustrie, von der die ganze Region so nachhaltig geprägt werden sollte. Sie wuchs als eine der frühen Anlagen auf dem Breitengrad zu einer der größten Tiefbauzechen ihrer Zeit: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden hier mehrere Nachbarstollen und Abbaufelder zusammengeschlossen, man durchstieß das Deckgebirge und bewältigte die direkt an der Ruhr schwierige Wasserhaltung mit Dampfkraft. In Spitzenzeiten grub sich eine Belegschaft von rund 500 Bergleuten auch erstmals unter den Fluss, ging auf eine Teufe von bis zu 600 Metern und erreichte 1875 die höchste jährliche Fördermenge mit rund 85.000 Tonnen Steinkohle.

Doch 1882 wurde die Förderung bereits weitgehend stillgelegt. Für eine über dem Hauptstollen errichtete profitable Ziegelei nahm die Zeche 1921 mit einer Handvoll Knappen wieder den Betrieb auf. Sie sorgten hier für die Befeuerung der mächtigen Ringofenanlage. In der Not der unmittelbaren Nachkriegszeit erinnerte man sich an die verbliebenen Restschätze und haute man sich wieder in Hunderten Kleinzechen in die Tiefe – bis zu 660 1-3-Mann-Betriebe hat man hier ausgemacht. Doch die Zeiten eines lohnenden Bergbaus waren schon damals längst vorbei. Die mit Presslufthämmern abgebauten Flöze waren ausgekohlt, der Abbau ergiebiger Vorkommen, die sich mit Großmaschinen ausbeuten ließen, wanderte schon Jahrzehnte zuvor nordwärts in die Tiefe. Die 1964 aufgegebene Ziegelei mutierte schließlich zu einem Schrottplatz und erst 1982 weckte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) den Nachtigallstollen mit der Einrichtung des Besucherbergwerks aus dem Tiefschlaf.


Fahrsteiger Bernd Genser: "Alle sind raus. Keiner mehr drin!"

Keine Fragen blieben offen

All das und sehr viel mehr machte die hochspannenden Einfahrt sehr anschaulich. Was Steiger Michael Kaiser, der 35 Jahre lang selbst auf vielen Zechen unter Tage arbeitete, vor Ort sehr praktisch und lebendig zu den Arbeitsvorgängen berichtete, zu Sprache, zur bergbaulichen Geschichte, aber auch zu Not und Elend der schweißtreibenden gefährlichen Arbeit unter Tage, ließ kaum noch Fragen offen. Und nach der standesgemäßen Ernennung unserer Bundesschwester Franzi zum Ehrenhauer auf Zeche Nachtigall packte er für das Steigerlied sogar die Ukulele aus. Dass man sich zu herzhaftem Grünkohl, Waffeln und einigen Steigerbieren anschließend noch im historischen Bethaus der Bergleute versammelte, war ein gelungener Abschluss. Respekt auch übrigens für den Teil der Truppe, der die Tour mit über 80 Jahren noch munter bewältigte. Für das Erlebnis herzlich zu danken bleibt vor allem Bbr. Bernd Genser, den Fahrern und dem Seniorat – es war äußerst ein spannendes Vergnügen!

Steiger Michael J. Kaiser führte durch die dunkle Tiefe. Unten: Nach dem Treffen im historischen Bethaus stellte sich die Restbelegschaft zum Bild. Fotos: Bernd, Franzi, CB

Unitas unter Tage auf Zeche Nachtigall in Witten