Messe und neues Buch: Gedenken an Bbr. Robert Schuman

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Vielen mag er heute kaum noch bekannt sein, aber er hat unserem Kontinent noch heute viel zu sagen: Robert Schuman, der ehemalige französische Ministerpräsident, Außen- und Finanzminister, der mit seiner Montanunion die Fundamente der Europäischen Union legte. Er starb vor 60 Jahren, am 4 September 1963, und ist – zumal bei den Bundesbrüdern und Bundesschwestern der Unitas - unvergessen. Der völlig untypische Politiker, der Feingeist und im besten Sinne tieffromme „Mann von der Grenze“, der in Deutschland studierte und den Weg aus dem dornigen Verhau des Nationalismus, der Kriege und Ressentiments freischlug, wird nicht umsonst der „Vater Europas“ genannt.

Gedenken – auch in Brüssel

In Brüssel und an vielen anderen Orten hat der erste Präsident des Europäischen Parlaments bis heute seine Spuren hinterlassen. Auch dort wird seiner gedacht: Am Montag, 4. September, lädt die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union COMECE zu einer Gedenkmesse in die „Chapel for Europe“ – um 18:30 Uhr in der Rue Van Maerlant 22-24, gefeiert von COMECE-Generalsekretär Dr. Manuel Barrios Prieto und P. Krystian Sowa SJ, Direktor der Chapel for Europe.

An der Vorbereitung beteiligt ist das Institut Saint-Benoît aus dem Bistum Metz, in dem 1990 der Seligsprechungsprozess eingeleitet worden war - im Juni 2021 sprach Papst Franziskus dem französischen Staatsmann die Anerkennung des heroischen Tugendgrades zu. Manfred Kontz, Vizepräsident des „Institut Saint Benoît“, legte nun in diesem Jahr eine neue kenntnis- und detailreiche Biografie vor, die viele neue Quellen und Zeitzeugenberichte zum Leben Robert Schumans würdigt.

Robert Schuman. Eine neue Biografie in Zeitzeugenberichten

„Mehr als de Gaulle, mehr selbst als Adenauer und De Gasperi darf er als Vater eines vereinten Europa gelten“, schreibt Hans Maier in seinem Vorwort: „Schuman hat Türen aufgestoßen, er hat historische Konstellationen, die unveränderlich schienen, verwandelt. Er hat Zusammenarbeit, ja Freundschaft an die Stelle historischer Feindschaft gesetzt“, so der Politikwissenschaftler und ehemalige bayerische Staatsminister.

Wer sich also aufmacht, „einen europäischen Politiker wieder zu entdecken, dessen Handeln im Einklang mit seinen Werten stand, der Versöhnung und Verständnis statt Spaltung und Polemik suchte“ (Verlagsankündigung), wird in dem über 640-seitigen Werk von Manfred Kontz jetzt eine sehr lesenswerte neue Dokumentation finden, die an vielen Stellen weit über die bereits bekannte Literatur hinausgeht.

Die im Schöningh-Verlag erschienene, streng chronologisch aufgebaute Darstellung präsentiert Robert Schumans Kindheit und Jugend, seine schulische Bildung, Lieblingsorte und Kontaktpersonen, seine Studienjahre in Deutschland und religiösen Prägungen, die Anfänge seines politischen Wirkens, sein Schicksal in Krieg und Nationalsozialismus und sein Aufstieg in höchste politische Ämter nach dem Krieg. Zeugnisse von Reden, Reisen und Begegnungen machen deutlich, wie konsequent dieser höchst eigenständige Politiker Schritt für Schritt seinen Weg für den Aufbau eines neuen Europa ging - vor allem in der französisch-deutschen Aussöhnung, welchen Widerständen er sich stellen musste, welche Leidenschaft er entfachte. Sie zeigen seinen feinen Humor, vor allem aber auch seine tiefe religiöse Zuversicht, mit der er auf die Vernunft, die Einsicht und die Jugend setzte. Damit stellt Manfred Kontz, ehemaliger Studiendirektor am Robert-Schuman-Gymnasium in Saarlouis, den wohl wesentlichsten Aspekt dieser so zentralen Persönlichkeit für das Werden des heutigen Europa besonders heraus.

Auch für Unitas-Mitglieder mag immer noch erstaunlich mag sein, wie sehr Bundesbruder Schumans lebenslange Mitgliedschaft im Verband sein ganz persönliches Denken und Handeln geprägt hat – das Thema „Unitas“ zieht sich in allen Jahrzehnten wie ein roter Faden durch die materialreiche Darstellung. Den UNITAS-Vereinen in Münster hatte er 1955 zum Stiftungsfest ausdrücklich gewünscht: „Amicitia über die nationalen Grenzen hinaus soll nunmehr ein Losungswort sein für die Unitas.“

Dass die tiefe Bedeutung des Wortes „Unitas“ für ihn zu einem ganz persönlichen konkreten politischen Auftrag wurde, dürfte den ältesten katholischen Akademiker- und Studentenverband immer wieder neu inspirieren, der 2007 bei seiner 130. Generalversammlung in Trier beschlossen hatte, den Europa-Gedanken auf allen Ebenen der Verbandsarbeit zu stärken.

„Keine Schwierigkeit wird und darf uns aus der Fassung bringen“

Mit Blick auf Unsicherheiten, kritischen Anfragen zum heutigen Zustand der Europäischen Union und massive neue Angriffe auf das kontinentale Friedensprojekt wird man sicher immer wieder auf das vor 60 Jahren erschienene testamentarischen Werk „Pour l’Europe“ – Leitfaden für Europa“ zurückgreifen. Vor allem aber wird für jede Generation eine entscheidende Grundüberzeugung Schumans gelten, die als Ausdruck des unitarischen Prinzips der „Virtus" hin und wieder auch übersehen wird:

„Es gibt einen Feind, vor dem ich ganz besonders warnen möchte [...]. Dieser Feind heißt die Ungeduld, sei sie gekünstelt oder nicht. Der Beweis ist erbracht, dass wir rasch zu handeln verstehen. Wir kennen andererseits die der Europaidee innewohnende Macht; sie hat sich bereits bewährt und wird sich weiter durchsetzen, da sie uns den einzigen Ausweg aufzeigt aus dem bisherigen Chaos. Keine Schwierigkeit wird und darf uns aus der Fassung bringen. Ebensowenig aber dürfen wir den notwendigen Auseinandersetzungen, sei es mit den Gegnern, sei es mit den Unentschlossenen aller Art aus dem Wege gehen [...]. Auf seine Frage, warum er niemals pessimistisch sei, lautete seine Antwort: „Weil ich geduldig bin.“ (S. 551f.)
CB

Das Buch: „Robert Schuman. Eine Biografie in Zeitzeugenberichten. Mit einem Vorwort von Hans Maier“
Brill / Schöningh, Paderborn 2023, ISBN: 978-3-506-79287-7
E-Book (PDF), ISBN: 978-3-657-79287-0, Publikation: 24. April 2023, [DE] 49,90 €
Festeinband, ISBN: 978-3-506-79287-7, Publikation: 12. Mai 2023, [DE]  49,90 €

 

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