BONN / ESSEN. Die Mutterkorporation des Unitas-Verbandes, der W.K.St.V. Unitas-Salia Bonn, wird sich am Donnerstag, 6. Januar, dem Fest der Hl. Drei Könige, um 18.30 Uhr im Kölner Dom traditionell zur Mitfeier des Gottesdienstes treffen. Dies geschieht diesmal unter einem sehr besonderen Vorzeichen: Die Messe und das anschließende Treffen sind der Erinnerung an einen Bundesbruder gewidmet, der in den letzten fast fünf Jahrzehnten wie kaum ein anderer die Unitas mitgeprägt hat. Vor zwei Wochen ist Bbr. Hermann-Josef Großimlinghaus im Alter von 71 Jahren ganz überraschend in St. Augustin bei Bonn gestorben. Viele Bundesbrüdern und Bundesschwestern werden ihm in diesen Tagen sehr verbunden sein, die die Nachricht bereits erfahren haben oder jetzt erhalten werden.
Solidarisch zusammenarbeiten
Noch am 7. Dezember 2021 hatte die Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände (AGV) ein Bild veröffentlicht, das die Teilnehmer der jährlichen Mitgliederversammlung beim Feldberg-Seminar im Hercynen-Berghaus im Schwarzwald zeigte. Mitten unter ihnen mit optimistischem Blick „Hejo“, wie er allseits genannt wurde, der Ehrenpräsident der AGV. Sie ist vor allem auch sein Werk: Über 40 Jahre zuvor, von 1980 bis 1986, hatte er selbst sechs Jahre den Vorsitz der seinerzeit „neuen“ Organisation übernommen, der als größter studentischen Gemeinschaft in Deutschland neben dem Unitas-Verband (UV), der CV, KV, TCV, der RKDB, der Hochschulring der Ackermann-Gemeinde und die Overseas Students Coordination (OSCO) angehörten.
Dreimal Unitas-Vorortspräsident
Für die seitdem von ihm entscheidend mitgeprägte Arbeit brachte er alle Voraussetzungen mit: Hermann-Josef Großimlinghaus, am 19. Juli 1950 in Aachen geboren, nahm mit 20 das Studium auf, studierte von 1970 bis 1976 Volks- und Betriebswirtschaftslehre zunächst in seiner Heimatstadt, anschließend in Gießen und trat dort 1974 bei der Unitas Cheruskia dem Verband der Wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine Unitas (UV) bei. Nach dem Examen als Diplom-Ökonom 1976 übernahm Bbr. Großimlinghaus 1977 mit der Unitas Assindia Aachen den Vorort des Unitas-Verbandes. Bis 1980, länger als jeder seiner Amtsvorgänger oder -nachfolger, blieb er als Vorortspräsident im Amt. Nahtlos ging es für ihn damals bei der AGV weiter. Während dieser Zeit berief ihn Papst Johannes Paul II. im Jahr 1985 zum Auditor in die Außerordentliche Bischofssynode in Rom - auch eine herausragende Anerkennung der Arbeit der katholischen Studentenverbände.
Menschen zusammenbringen
Beruflich stand Hermann-Josef Großimlinghaus seit 1977 im Dienst der Deutschen Bischofskonferenz und war für drei Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter der Deutschen Kommission Iustitia et Pax. Ab 1981 übernahm er in der Zentralstelle Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz die Verantwortung für die Regionalbereiche Asien, Ozeanien und entwicklungspolitische Fragen, bald auch die Geschäftsführung. Seinem Engagement für die katholischen Studentenverbände aber blieb er weiter intensiv verbunden.
Er erkannte und förderte ihr gemeinsames Potenzial, initiierte die Menschenrechtsarbeit der AGV-Ortsinitiative und nahm seit 1983 die Organisation der inzwischen legendären AGV-Wallfahrten in die Hand. Durch seine „Erfindung“, die ihm selbst viel abverlangte, führten über 40 Pilgerreisen ins Heilige Land, in die Länder des Nahen Ostens, nach Rom und Assisi, Frankreich, Spanien, Irland und in die Türkei – minutiös und mit zahllosen Begegnungen vor Ort vorbereitet. Die inhaltliche Arbeit der AGV prägte er daneben konsequent durch Dialogprogramme mit hohen Vertretern der Politik, Seminare in Bonn und Berlin, durch Veröffentlichungen und zahlreichen Pressemeldungen. 1992 wurde er von der AGV mit dem Ehrenvorsitz geehrt – fast 30 weitere Jahre lange sollte er in dieser Funktion aktiv bleiben.
Aber auch im Unitas-Verband engagierte er sich weiter: Von 1989 bis 1992 übernahm er die Schriftleitung der Unitas-Verbandszeitschrift und Leitung des unitarischen Presseamtes, von 1990 bis 1992 war er zugleich Vorsitzender des Beirats für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Der „rasende Reporter“ zeichnete bei allen Verbandsveranstaltungen für zahllose Bilder verantwortlich, mit denen er das Leben im Verband dokumentierte. Und er schrieb nieder, was den Verband bewegte - in offizieller Funktion ab 1999 wieder als Mitglied der Redaktion der Verbandszeitschrift, die nun in Essen erschien und die er bis 2018 engagiert und wesentlich mitbetreute.
Es zählt die Tat
Freilich lässt sich in einer Zeitung nur berichten, was passiert. Und dafür sorgte Hejo mit dem Kürzel „hjg“ in vielfältiger Hinsicht selbst. Denn seit 1996 galt sein besonderer Einsatz auch den sozialen Projekten des Verbandes, die maßgeblich auf seine Initiative zurückzuführen sind. So gab es kaum ein Projekt, das nicht von ihm intensiv begleitet wurde und bei dem seine engen Kontakte zu den kirchlichen Werken Adveniat, Misereor oder Missio äußerst hilfreich waren. Viele Hunderttausende Spenden-Euro aus dem Unitas-Verband flossen dadurch in gute Zwecke, etwa in den 1999 beendeten Wiederaufbau des Kinderheims „Haus Egypta“ in Sarajevo oder in den Bau des Jugendzentrums „Centro de Formacion Juvenil y Popular“ der Salesianer Don Boscos in Caracas/Venezuela.
2003 übernahm Hermann-Josef Großimlinghaus neben seiner beruflichen Aufgabe als Geschäftsführer des Bereichs Weltkirche in der Deutschen Bischofskonferenz die ehrenamtliche Vizepräsidentschaft des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande (DVHL) in Köln. Auch hier entwickelte er zahlreiche zukunftsweisende Initiativen für das Hilfswerk und seine Einrichtungen im Nahen Osten. Währenddessen blieb in AGV und Unitas-Verband sein Rat gefragt: Immer wieder wirkte er auf die Gestaltung der Verbandsarbeit, pochte er auf eine kooperative, zeitgemäße, öffentlichkeitsrelevante und praktische Umsetzung der Grundlagen.
Lebendige Gemeinschaft erfahren
Dass dies beachtet und gewürdigt wurde, zeigen die Feste, zu denen anlässlich seines 50. und 60. Geburtstages an den Gründungsort des Unitas-Verbandes eingeladen wurde. Denn besonders verbunden blieb der A-Philister bei Unitas Assindia in Aachen und B-Philister bei der Cheruskia Gießen vor allem der Unitas-Salia in Bonn, die ihn mit 36 Jahren zum Ehrensenior wählte – in ein Amt, das er 17 Jahre innehaben sollte. Bei dem Empfang im Jahr 2000 erklärte der damalige Weihbischof und heutige Kardinal Bbr. Reinhard Marx, Bbr. Großimlinghaus habe mit den von ihm initiierten Studenten-Wallfahrten echte „Pionierarbeit“ geleistet. Die spirituelle Vertiefung studentischer Arbeit habe gerade in dieser Initiative einen konkreten Ausdruck gefunden und für Studierende und Jungakademiker zu nachhaltig wirkenden Erlebnissen geführt. Über die Verbandsgrenzen hinaus sei so die Erfahrung einer lebendigen Glaubensgemeinschaft möglich geworden. 2010 würdigte der damalige Verbandsgeschäftsführer Dieter Krüll den „rastlos und immer präsenten Hejo“ als „glaubwürdigen Zeugen für die unitarischen Grundsätze“: „Du hast unsere Prinzipien, vor allem die virtus, ernst genommen und Dich für unsere unitarische Idee in beispielhafter Weise eingesetzt“, dankte Bbr. Krüll damals im Namen des Unitas-Verbandes und überreichte dem sichtbar überraschten Geehrten die Silberne Ehrennadel des Verbandes.
links: Bbr. Großimlinghaus beim letzten AGV-Treffen in Feldberg-Bärenthal Anfang Dezember 2021, Mitte: Ruhranen-Gründungssenior Helmut Wiechmann, damals Geistlicher Beirat des Unitas-Verbandes, überreicht eine selbstgefertigte Kerze zum 60. Geburtstag beim Treffen im Garten der Unitas-Salia Bonn
Netzwerker vor dem Herrn
Als Bbr. Hermann-Josef Grossimlinghaus sich nach seinem beruflichen Ausscheiden kleiner setzte und von Bonn zu den Steyler Missionaren nach St. Augustin zog, wurde es etwas stiller um ihn. Just in den letzten Jahren musste er zahlreiche frühvollendete Bundesbrüder, mit denen er freundschaftlich verbunden war, nach ihrem schmerzlich empfundenen Tod zum Grab begleiten. Aber auch ihm selbst machten gesundheitliche Probleme schon lange zu schaffen. Der sonst so omnipräsente Menschenfischer und Motivator war nicht mehr so mobil wie früher. Mit gutem Grund entschied er sich darum auch, die Mitarbeit an der Verbandszeitschrift aufzugeben, die er über zwei Jahrzehnte selbst entscheidend mitgeprägt hatte.
Was ihn nicht davon abhielt, weiter zu telefonieren, zu schreiben und seine in Jahrzehnten gewachsenen vielfältigen Netzwerke zu pflegen. Als höchst aufmerksamer und sehr informierter Zeitgenosse hatte er alle Themen der Politik im Visier, erörterte kritische Fragen der Gesellschaft und litt sehr an der Entwicklung seiner Kirche, für die er sein Leben lang seine guten Fähigkeiten ins Spiel gebracht hatte. Sein Organisationstalent, der klare Blick auf das Wesentliche und die schnelle Entscheidung paarten sich hier mit dem Typ des Machers, der sich nicht allein bei der Theorie oder schönen Worten aufhielt und dem lange Abstimmungsprozesse eine oft nur schwer aufzubringende Geduld abnötigten. Ein sicherer Hinweis auf das was ihn innerlich zutiefst bewegte: Die Liebe zur Unitas und zu dem, wofür sie steht.
Die Prinzipien leben
Davon spricht sehr deutlich ein vielfach kopierter Text aus seiner Feder, mit dem er dies unter der Überschrift „Soziales Engagement - Aufgabe der UNITAS. Aus Zuschauern Akteure machen!“ auf der Verbandshomepage unterstrich: „Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit sozialen Fragen ist gut - aber nicht alles: immer heißt es sensibel bleiben für Ungerechtigkeit und Benachteiligung. Ein Studenten- und Akademikerverband wie die UNITAS kann zwar nicht die Welt verändern. Aber er kann kleine Zeichen setzen, die das soziale Gewissen wachhalten.“ Und – so heißt es weiter: „Soziales Engagement in der UNITAS (ist) in einem dreifachen Sinn zu verstehen: gute theoretische Grundlegung in der katholischen Soziallehre, praktische Umsetzung der Ideen in konkrete Projekte sowie Mitsprache bei aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen und öffentliche Bewusstseinsbildung für soziale Ungerechtigkeiten. Unsere Devise: Aus Mitmachern müssen Macher werden, aus Zuschauern Akteure!“
„In Deinen Toren werd´ ich stehen, Du Heil´ge Stadt Jerusalem ...“
Hejo! Das Heilige Land und die Stadt Jerusalem waren Dir mehr als nur Worte oder Orte. Nun bist Du uns ins Himmlische Jerusalem vorausgegangen. Und es ist schwer zu fassen, dass Du nicht mehr da bist. Generationen von Studenten und Studentinnen aus allen Verbänden - und vor allem aus Deiner Unitas - haben Dich gekannt, Dir vertraut, auf Deinen Rat gezählt, waren erstaunt, mit welcher Hingabe, Liebe, Treue und Leidenschaft Du so lange prägend bleiben konntest, wie Du Rückschläge verpackt und immer wieder neue Initiativen entfacht hast. Die unzähligen freundschaftlichen Gespräche all der Jahrzehnte fehlen jetzt, Deine Offenheit, Ermunterung, Deine Sorgen, Dein Dienst, Dein Eifer, Deine Ecken und Kanten. Du wirst nicht mehr anrufen, Du wirst Dich nicht mehr ärgern, Du wirst nicht mehr warten müssen bis zur Gewissheit, wem Du selbst zutiefst vertraut hast.
Wir sind unseren Bundesbrüdern der Unitas-Salia, der Mutterkorporation des Unitas-Verbandes, und allen Bundesbrüdern und Bundesschwestern, die um Bbr. Hejo Großimlinghaus trauern, in diesen Tagen sehr verbunden. R.I.P.
Dr. Christof Beckmann
AHV-X der Unitas Ruhrania Bochum – Duisburg-Essen – Dortmund
Schriftleiter der Unitas 1999-2018