Unitas-Spuren in Essen: Neues von der Erinnerungstafel in Werden

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ESSEN. Als vor zwei Jahren die Erinnerungstafel für den Verbandsgründer der Unitas, Hermann Ludger Potthoff, an seinem Geburtshaus in der Hufergasse 15 in Essen-Werden aufgefrischt wurde, war klar: Auch die Einweihung 1930 musste damals bestimmt in der Zeitung gestanden haben. Jetzt haben wir den Hinweis gefunden. Edith Tekolf, Heimatforscherin in Werden, hatte die Unitas Ruhrania zunächst in einer ganz anderen Angelegenheit angeschrieben, ging dann der Unitas auf die Spur und gab die entscheidenden Hinweise. Hier nun der Zeitungsartikel, der 1930 von der Einweihung zum 100. Geburtstag des Verbandsgründers berichtete:

Essener Volks-Zeitung, 65. Jahrgang, 15. Juni 1930

Ein Fest der Unitas in Werden
100.
Geburtstag des Verbandsgründers Hermann Ludger Potthoff

„Werden, die Stadt des hl. Ludgerus, darf sich auch mit Stolz als Geburtsort des Mannes bezeichnen, der vor mehr als 80 Jahren den Verband der wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine Unitas (U.V.) ins Leben gerufen hat. Die Feier der hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages feierte der Verband gestern in festlicher Weise.

Die Straßen prangten im Festtagskleid, als die Chargierten in vollem Wichs mit ihren Fahnen, gefolgt von zahlreichen Alten Herren, gemessenen Schritts unter dem Geläute der Glocken zur Abteikirche marschierten. Eine tausendköpfige Menge schloß sich dem Zuge an und füllte die Kirche bis auf den letzten Platz.

Das feierliche Hochamt

erhielt ein besonderes Gepräge durch die Aufführung der C-Dur-Messe Rheinbergers, die Studienrat K. Meyer mit dem Kirchenchor in sorgfältiger Weise vorbereitet hatte Joseph Gabriel von Rheinberger hat sich mit dieser Komposition durch die in ihr enthaltene Melodik und Harmonik am lebendigsten erhalten. Orgel- und Orchesterbegleitung verhalfen dem Chor, zumal im jubelnden Gloria, zu einer schwungvollen Wiedergabe. In seiner Festpredigt ging Stadt-Dechant Dr. Kreutzer vom Festgedanken des Dreifaltigkeitstages aus, indem er die Wesenszüge der unitarischen Frömmigkeit, Innerlichkeit und Gemeinschaft in markanten, tiefempfundenen Worten herausstellte.

Nach dem Hochamte bewegte sich der Zug zur Hufergasse, wo am Geburtshause Potthoffs eine Erinnerungstafel enthüllt wurde. Cand. theol. Brauer, Senior der Unitas-Frisia, Münster (zur Zeit Vorort des Verbandes), hielt inmitten seiner Bundesbrüder eine mit flammender Begeisterung gesprochene Prinzipienrede, die den gesunden katholischen Geist der Unitas atmete. Mitzuarbeiten an der Linderung der seelischen und leiblichen Not unseres Volkes sei das Streben jedes Unitariers, der das Vermächtnis des Verbandsgründers Hermann Ludger Potthoffs in sich trage. Als sich im Anschluß an diese Rede die Hülle der Tafel hob, wurde die schlichte Inschrift sichtbar:

„Am 21. Jan. 1830 wurde hier geboren Hermann Ludger Potthoff,
Gründer des Verbandes wissenschaftl. kathol. Studentenvereine Unitas.“

Alle Festteilnehmer fanden sich darauf in der Jugendhalle zur

Akademischen Morgenfeier

ein, die der Chor der Abteikirche mit dem Vortrage von Haydns „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ (aus der „Schöpfung") einleitete. A.H. Schulrat Schieffer, Vorsitzender des Altherrenzirkels der Unitas Essen, begrüßte in seiner herzlichen Weise die Gäste, unter denen er eine große Anzahl prominenter Persönlichkeiten aufzählte.

Die Festrede hielt A. H. Studienrat Werner Ohlendorf. Er zeigte, wie der Unitasverband aus einer einzigen Wurzel aufgewachsen sei. Darin liege das Geheimnis seines erfreulichen Werdens und Blühens. Er zeichnete dann den Entwicklungsgang Potthoffs, der in den Jahren 1840-44 die Werdener Rektoratschule besuchte, darauf im Baugeschäft in Hagen tätig war und 1850 die Vorbereitung auf das Abiturientenexamen begann, das er im Jahre 1852 in Bonn bestand. Innige Freundschaft verband ihn damals schon durch Pingsmann mit dem Altherrenzirkel Ruhrania, dem er als Theologiestudierender auch als Mitglied angehören konnte. Hier empfing Potthoff die Anregungen zu seinen Plänen, die er als Bonner Student später verwirklichte. Die Zustände an der dortigen alma mater hatte Peter Reichensperger in einem 1830 geschriebenen Briefe in religiöser Hinsicht als ganz trostlos gezeichnet. Indifferentismus auf der ganzen Linie! Umso bewunderungswürdiger ist der Mut, mit dem Potthoff im Wintersemester 1853/54 in den Satzungen der „Unitas“ die religiösen Prinzipien des von ihm gegründeten Studentenvereins festlegte. Im Jahre 1888 zählte Unitas erst 4 Vereine, heute ist ihre Zahl auf 57 angewachsen— ein Beweis für die Lebenskraft der von Potthoff in das Erdreich jugendlicher Begeisterung gesenkten Keimzelle.

Die Festteilnehmer folgten der von subtiler Sachkenntnis zeugenden Rede mit reger Aufmerksamkeit und nahmen die Ausführungen mit herzlichem Beifall entgegen. Die Werdener Sopranistin Sophie Sessendrup hatte ihre Kunst dem Verband bereitwillig zur Verfügung gestellt und sang Lieder von Schoeck, H. Wolf und die Arie „O hätt´ ich Jubals Harfe“ aus Händel geleitet von Studienrat Meyer, ersang sich die junge Künstlerin mit ihrem sehr sympathischen, warmen Organ einen wohlverdienten Erfolg. Der Abteichor beschloß die Feier mit Schuberts „Allmacht".

Der gesellige Teil der Veranstaltung begann schließend mit einem gemeinsamen Mittagessen im „Deutschen Haus“, wurde dann fortgesetzt mit einer der Werdener Sehenswürdigkeiten und fand mit einem Gesellschaftsabend ihren Abschluß. Schulrat Schieffer und Senior Brauer würzten die Unterhaltung mit (..)lichen Tischreden, denen sich andere Alte Herren des Verbandes (so besonders Landgerichtsdirektor Bieler (Bochum) mit köstlich-launiger Unterhaltungsgabe anschlossen.

Unitas hat den 100. Geburtstag ihres ersten Seniors gefeiert. Die Bande der Familie sind neu geknüpft Auf dass den tapferen Söhnen Potthoffs und dem ganzen Verbande ein weiteres Blühen und Gedeihen beschieden sei! Vivat, floreat, creacat Unitas!"

Die Potthoff-Gedenktafel in Essen-Werden

Den Menschen in Essen-Werden ist die Bedeutung der Tafel am Geburtshaus in der Hufergasse 15 in Essen-Werden durchaus bewusst - sie haben die Besuche der Unitas in den vergangenen Jahrzehnten (Vereinsfeste, Besuche auch benachbarter Zirkel, Aktiventag) immer positiv begleitet, auch die Stadtführer weisen auf die Geschichte der Tafel regelmäßig hin. Tatsächlich ist die Tafel einer der wenigen Orte, an denen überhaupt in der Öffentlichkeit noch an Bundesbrüder der Unitas erinnert wird: Zwar wurde das nach seinem Tod 1888 errichtete Grab von Hermann Ludger Potthoff in Aachen-Burtscheid war vom Verband mit einer Erinnerungstafel geschmückt, sie wurde 1926 auch erneuert, jedoch im Krieg zerstört. 1951 wurde ein neuer Grabstein für ihn errichtet, der bei einem Festakt zum 40-jährigen Bestehen der Unitas Aachen am 22. Januar 1952 seine kirchliche Weihe erhielt. Doch wohl in der 1970er Jahren ist auch dieses Denkmal abgerissen und das Grab für eine Vergrößerung der Priestergruft eingeebnet worden.

Bleibt also nur noch die Tafel in Essen-Werden, am 15. Juni 1930 zum Anlass des 100. Geburtstags von Potthoff eingeweiht. Über 90 Jahre später schien eine Auffrischung nötig, denn sie war schon länger kaum noch zu entziffern und lesbar. Bbr. OStR Martin Gewiese, damals Vorsitzender des Essener Unitas-Zirkels, ergriff im April 2021 mit der Ruhr-Unitas die Initiative für eine grundsätzliche Säuberung und Aufarbeitung. Die Hauseigentümerin, Frau Steiner, und der Pächterin des Ladens im Erdgeschoss, auch Nachbarn äußerten sich damals sehr erfreut. Gelegenheit zur Wieder-Einweihung bot schließlich die AHB-/HDB-Tagung vom 20.-22. August in Essen, Anlass für die Neueinweihung war der 165. Jahrestag der Priesterweihe von Hermann Ludger Potthoff im August 1856 in Köln.

Hier die Berichte dazu auf unserer Homepage:

20. Juli 2021: Unitas-Verbandstagung in Essen
16. August 2021: UNITAS-AHB-/HDB-Tag in Essen
19. August 2021: Letzte Infos zum AHB-/HDB-Tag in Essen
24. August 2021: Unitas-Festwochenende rund um das Feldschlößchen

Mehr zu Hermann Ludger Potthoff unter „Persönlichkeiten"


Bilder von der Renovierung im Juli 2021