Vereinsfest Bonifatius thematisierte Ukrainekrieg

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ESSEN. Mit herzlichen Worten, profunden Erkenntnissen und einem schönen Exbummel in die Dampfe endete das diesjährige Vereinsfest zu Ehren des Hl. Bonifatius. Nach der Hl. Messe in St. Dionysius Essen-Borbeck ging es am Sonntag, 29. Mai 2022, zum Unitas-Haus Feldschlösschen an der Flurstraße, wo Senior Georg Beckmann eine hochinteressierte Corona zur wissenschaftlichen Morgensitzung begrüßte. Sie stand mit dem Thema „Der Krieg. Russland. Die Ukraine. Der Westen“ unter ganz aktuellen Vorzeichen.

Komplexe Geschichte Osteuropas

Man könne die Wahrheit schnell auf den Punkt bringen, erklärte Bbr. Dr. Karol Rawski: „Das von Wladimir Putin regierte Russland hat seinen Nachbarn Ukraine überfallen und darum muss ihr unsere ganze Solidarität gelten“, meinte der Osteuropa-Historiker zu Beginn seines Festvortrags. Ihn und viele seiner Fachgenossen habe diese Entwicklung zuletzt nicht wirklich überrascht, doch fordere die Perspektive der Wissenschaft einen tieferen Blick in die über 1000-jährige Geschichte des Raums und die Genese dieses jüngsten Krieges. In freiem Vortrag führte Bbr. Dr. Rawski von den frühesten Formen der Staatlichkeit bis in die Moderne: Er verwies auf die Zeit der Waräger, die als Händler und Krieger aus dem östlichen Skandinavien über die Flussysteme bis nach Byzanz zogen, auf die folgenden Jahrhunderte wechselnder Abhängigkeiten der Völker zwischen Baltikum und Schwarzem Meer sowie auf die von Religion, Sprache, Besiedlung und Landschaft markierten großen kulturellen Kontakträume, in denen sich auch ein ukrainisches Selbstverständnis herausbildete. In großem Bogen ging es von den Kiewer Rus, über Sarmaten, Tartaren und Kosaken zu Schweden, Osmanen und dem Großreich von Polen-Litauen, zuletzt über die napoleonischen Kriege in das von den Moskowitern begründete Zarenreich, das sich als Erbe von Byzanz und „3. Rom“ sah.

Debatte mit ungeteilter Aufmerksamkeit

Hegemoniale und imperiale russische Ansprüche von heute seien damit maßgeblich aus sehr viel früheren historischen Entwicklungen zu deuten, so Bbr. Rawski, der damit vor allem eines deutlich machte: Der Begriff von „Europa“, wie er in den westlichen Breiten zumeist verstanden wird, lässt die hochkomplexe Geschichte eines großen Teils des Kontinents bislang weitgehend außen vor. In der Debatte stellte er sich Fragen zu Macht und einer „Kultur der Gewalt und Korruption“, zu Eliten und Antimoderne, wirtschaftlichen Interessen und dem Hintergrund des „Putinismus“, zur militärischen Entwicklung der Ereignisse und den eigentlichen Interessen und Grenzen der russischen Expansion – es wurde eine spannende, fast zweistündige Morgensitzung mit ungeteilter Aufmerksamkeit bis zum Schluss.

Laus et jubilatio: Ehrung für Martin Gewiese

„Jetzt geht es wieder los“, so der Tenor dieses Vereinsfestes, das in der Dampfbierbrauerei ausklang. Man wolle und müsse sich nach fast zwei Jahren der Absenz nun wieder öfter sehen, in denen Treffen nur sehr eingeschränkt möglich waren - ein Umstand, den auch der langjährige Essener AHZ-Vorsitzende Martin Gewiese beklagte. Zum Dank für seine Arbeit in Dienst der Unitas in Essen aber hatte sein Nachfolger Dr. Nikolaus Mantel, der nun das Amt offiziell übernommen hat, für ihn eine mehr als passende Überraschung vorbereitet. Wie es sich gehört, in der „Mutter aller Sprachen“. Wer mag kann es zunächst selbst versuchen. Bis dahin gilt in jedem Fall: „Semper in unitate!“