
Als am 7. Januar 1935 Unitas-Verbandsführer Karl Erbprinz zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg in der Kirche der Lombarden in Rom die italienische Gräfin Carolina dei Conti Rignon heiratet, gilt das als katholische Demonstration. Nicht nur für Rom ist die Hochzeit ein gesellschaftliches Ereignis: Zu den zahlreichen prominenten Gästen zählen die Spitzen der römischen Aristokratie, das italienische Kronprinzenpaar und der Großmeister des Malteserordens. Die im In- und Ausland viel beachtete Trauung vollzieht Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, 1917-1929 Apostolischer Nuntius im Deutschen Reich, der am 2. März 1939 zum Papst gewählt wird und den Namen Pius XII. annimmt. Doch die Zeichen in der Heimat stehen auf Sturm.
Zwar ist der UV im SS 1931/32 mit später nie mehr erreichten 65 Vereinen und Zirkeln an den deutschen Universitäten und Hochschulen vertreten, dazu in Innsbruck und Wien, in Danzig und Prag, in Freiburg, in der Schweiz und Paris. Doch die Überwachung der Verbandsaktivitäten durch die Geheime Staatspolizei hat längst eingesetzt, eng arbeiten die Gliederungen der NSDAP mit der Gestapo zusammen. Bbr. Prof. Schmidlin (Münster) ist zwangsemeritiert, die Unitarier Kaplan Dr. Carl Klinkhammer (Essen), Generalvikar Dr. Otto Seelmeyer (Hildesheim) und Dominikanerprovinzial P. Laurentius Siemer (Köln) sitzen bereits im Gefängnis oder Zuchthaus, Prälat Prof. Dr. Georg Schreiber in Münster ist ein weiteres Opfer des Gesetzes gegen missliebige Hochschullehrer. Und es werden viele folgen.
Seit 1934 sind die konfessionellen Vereine verboten, das Tragen von Abzeichen ist unter Strafe gestellt. Reichsjugendführer Baldur von Schirach, Chef der HJ, verbietet am 6. Juli 1935 jegliche Zugehörigkeit zu studentischen Verbindungen. Wenige Tage darauf verlangt NS-Studentenführer Derichsweiler von jeder Korporation die Benennung geeigneter Studenten für die NS-Schulung. Gleichzeitig wird für alle Zukunft jegliche Einflussnahme der Alten Herren und der Verbandsführer auf diese Betätigung der Aktivitas ausgeschaltet. Der Unitas-Verband (UV) erklärt die Annahme dieser Bestimmungen für unmöglich.
„ ... zur Strecke gebracht" ....
Fast alle großen Korporationsverbände lösen sich in den folgenden Wochen auf, unter ihnen auch CV und KV, die einzelnen Korporationen bestehen aber weiter. Im Oktober 1935 melden die Zeitungen die Selbstauflösung des Kösener S.C, am 18. Oktober löst sich die Deutsche Burschenschaft auf und führt ihre Aktiven geschlossen in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB). Der trifft am 27. Januar 1936 in München die triumphierende Feststellung, dass man die Verbände „zur Strecke gebracht“ habe.
Das trifft auf den UV als Verband allerdings nicht zu – nur er lehnt als einziger jede Selbstauflösung ab. 1935 werden alle Unitarier, die dem NSD-Studentenbund angehören, durch den Verbandsführer mit sofortiger Wirkung ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Unitas-Verband und ihren Korporationen enthoben – sie können austreten, bereits begründete finanzielle Verpflichtungen bleiben bestehen.
Das endgültige Ende kommt am 20. Juni 1938: Gestapo-Chef Himmler verfügt „auf Grund des Paragraphen 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 das Verbot des UNITAS-Verbandes als „staatsfeindliche Organisation“, sein Vermögen wird beschlagnahmt. Reichsstudentenführer Dr. Scheel gibt das Verbot der ehemaligen konfessionellen Verbände bei einer markigen Rede zum „Heidelberger Studententag“ am 23. Juni 1938 bekannt: „Die katholischen Studenten- und Altherrenverbände sind diejenigen Kräfte gewesen, die schon zu Zeiten Bismarcks die Einheit und Stärke des Reiches geschwächt haben wo immer sie konnten. Es waren die Elemente, die in der Zeit des Weimarer Systems Hand in Hand mit dem Marxismus Deutschland zugrunde gewirtschaftet haben. Aus ihren Reihen gingen Erzberger, Wirth, Kaas und Brüning hervor. Die führenden Kräfte des politischen Katholizismus, des alten Zentrums und der neues „Katholischen Aktion“ sind durch ihre staats- und volksfeindliche Erziehungsschule gegangen.“
Schon kurz nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938 schließen sich die schlagenden Altherren- und Studentenverbände im Mai des Jahres dem Nationalsozialistischen deutschen Altherrenbund bzw. dem NSDStB an – wie im Deutschen Reich weitgehend schon geschehen. Die Unitas in Österreich wird am 10. Juni 1938 einschließlich der Altherrenzirkel aufgrund § 1 der Verordnung zum Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 16. März 1938 aufgelöst. Das gesamte Vermögen aller Vereine wird beschlagnahmt.
Ein mutiger Artikel im „Kirchlichen Amtsblatt der Diözese Münster“ vom 4. August 1938 hält fest: „… (es) sind somit die Vereinigungen katholischer Hochschulstudenten und die zugehörigen Verbände von Altakademikern definitiv vernichtet. Es bleibt eine Dankespflicht des deutschen Volkes, das Andenken an die Gründer und Leiter dieser Organisationen, die als treudeutsche katholische Männer unzähligen jungen Volksgenossen geholfen haben, ihre Studienjahre in Treue gegen Gott und das Vaterland, in männlicher Zucht und Ehrenhaftigkeit, in zielstrebiger Berufsarbeit und froher Kameradschaft zu erleben, hoch in Ehren zu halten.“ Die Ausgabe wurde vor Veröffentlichung beschlagnahmt.
Fast 500 Namen verzeichnet die immer wieder ergänzte „Liste der von den Nazis verfolgten Unitarier“ mit Daten und Nachweisen: Nicht zugelassen zum Staatsdienst, Berufsverbote, Beförderungs- und Ernennungsverbote, Amtsenthebungen, Entlassungen und Zwangspensionierungen, Rede-, Schreib-, Unterrichts-, Predigt und Schulverbot, Zwangsemeritierungen, Strafversetzungen, Verfolgung, Verhöre, Hausdurchsuchungen, Verhaftung oder Haftstrafen, Geldstrafen und Sicherungsgeld, Flucht, Ausbürgerung, Passentzug und Emigration, Ausweisungen und Aufenthaltsverbote. Ins KZ kamen 23 Bundesbrüder, acht weitere wurden verurteilt, hingerichtet und ermordet. Bis heute ist das Verzeichnis der Opfer nicht vollständig.