Zum 100. Todestag von Caritas-Gründer Bbr. Lorenz Werthmann

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Zum 100. Todestag von Bbr. Lorenz Werthmann (1858-1921) wird in diesen Tagen das Leben und Wirken des Caritas-Gründers besonders gewürdigt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, und Caritas-Präsident Peter Neher feierten heute einen Festgottesdienst in Werthmanns Geburtsort Geisenheim im Rheingau. Sechs Engagierte aus der Caritas gaben Einblicke in ihre unterschiedlichen Arbeitsfelder und standen stellvertretend für bundesweit 1,4 Millionen Haupt- und Ehrenamtliche der Caritas.

„Im Strudel des Zeitstroms“

Zu Werthmanns Zeiten hätten Radikale von links und rechts versucht, aus der großen Not vieler Menschen Profit zu schlagen, sagte Bischof Bätzing in seiner Predigt im Rheingauer Dom. Im Gegensatz dazu habe sich die Caritas mit aller Kraft gegen die konkreten Nöte aller Menschen gestemmt, mit einem besonderen Blick für Familien und für die Arbeiterschaft. Lorenz Werthmann habe „uns ins Stammbuch geschrieben, uns um die zu kümmern, die im Strudel des Zeitstroms unterzugehen drohen“, erklärte Bätzing und verwies auf die besonderen Nöte in der Corona-Zeit. Zum Gedenken an Lorenz Wertmann findet am Sonntag, 11. April 2021, um 10.00 Uhr, ein weiterer Gottesdienst im Freiburger Münster statt, der von Erzbischof Stephan Burger, Diözesan-Caritasdirektor Thomas Herkert und Prälat Dr. Peter Neher gefeiert wird. Anschließend findet eine Kranzniederlegung an Lorenz Werthmanns Grab auf dem Städtischen Friedhof von Freiburg statt. Der Gottesdienst aus dem Freiburger Münster ist live unter www.ebfr.de/livestream sowie auf der Facebookseite der Deutschen Bischofskonferenz zu sehen.

Vom Rheingau an die Gregoriana in Rom

Bbr. Lorenz Werthmann wurde am 1. Oktober 1858 als Sohn eines Gutsverwalters und Weinbauern in Geisenheim (Rheingau) geboren. Nach dem Besuch der Volksschule wechselte er 1873 an das Bischöfliche Konvikt in Hadamar, wo er sein Abitur ablegte und den Entschluss fasste, Priester zu werden. Zum Studium der Philosophie und Theologie ging er an die Päpstliche Gregoriana nach Rom - für ihn eine prägende Zeit: Er schloss mit dem Doktor der Philosophie (1880) und der Theologie (1884) ab, wurde am 28. Oktober 1883 zum Priester geweiht und feierte die Primiz am Allerheiligenfest in seiner Lieblingskirche, der Kirche seines Namenspatrons, S. Lorenzo fuori le mura.

Begegnung mit Bbr. Franz Hitze

Schon in Rom hatte er sich intensiv mit sozialen Problemen auseinandergesetzt und dabei entscheidende Anregungen in den Begegnungen mit dem am Campo Santo Teutonico studierenden Kaplan und späteren Sozialpolitiker Bbr. Franz Hitze (1851-1921) gefunden. Zurück in der Heimat, wurde Werthmann zunächst Sekretär von Bischof Joseph Blum und ging nach dessen Tod als Domkaplan nach Frankfurt. Blums Nachfolger Bischof Christian Roos berief ihn ebenfalls als Sekretär. Ihm folgte Werthmann, als Roos Erzbischof von Freiburg wurde. Hier wandte er sich mehr und mehr dem Studium der sozialen Frage zu, nahm das Studium der Jurisprudenz und Volkswirtschaftslehre auf, beteiligte sich an der Arbeit caritativer Vereine und sammelte praktische Erfahrungen in der Sozialhilfe. Hohen Geistlichen in Freiburg galt er als „cholerischer Preuße“, wegen seines Einflusses auf Roos wurde er in dieser Zeit auch als „schwarzer Erzbischof“ bezeichnet, doch nahm er 1888 die badische Staatsbürgerschaft an, um als Priester in die Erzdiözese Freiburg inkardiniert werden zu können.

Eine Idee nimmt Gestalt an

Währenddessen nahmen der von Bbr. Franz Hitze inspirierte und ins Leben gerufene Verband „Arbeiterwohl“ (ab 1880) und der 1890 gegründete „Volksverein für das katholische Deutschland“ zahlreiche Stimmen auf, die sich für die Zusammenfassung der caritativen Arbeit aussprachen. Den ersten konkreten Anstoß für die Gründung eines katholischen Caritasverbandes gab der IV. praktisch-soziale Kurs des von Generalsekretär Bbr. Franz Hitze gleiteten „Volksvereins“ vom 14.-20. Oktober 1894 in Freiburg. Schon im Frühjahr 1895 traf man sich erneut und vollzog im Hause des Verlagsbuchhändlers Herder die Gründung eines „Charitas-Comité“ unter Werthmanns Leitung. Dieses Comité setzte sich das Ziel, parallel zu Wicherns „Innere Mission“ eine Organisation der gesamten katholischen Nächstenliebe in Deutschland zu schaffen, die von möglichst vielen wissenschaftlich gebildeten Mitarbeitern getragen und durch regelmäßige Publikation und Information in die Öffentlichkeit hinein wirksam werden sollte.

Und Werthmann schaffte, was zuvor niemand für möglich gehalten hatte. Miut den Schlagworten „Publizieren, studieren, organisieren“ prägte er selbst das Programm für seine ganze weitere Arbeit, übernahm die Schriftleitung der Zeitung „Charitas“ und wurde nach dem Tod von Erzbischof Roos im Jahr 1900 von seinem Nachfolger, Erzbischof Thomas Nörber (1846-1920), als „Commissarius für charicative Angelegenheiten“ gänzlich für die Organisation der diözesanen Caritasarbeit freigestellt (vgl. Ludwig Freibüter, Franz Hitze, in: UH, Bd. I, S. 254ff.). Vor allem mit Hilfe der Zeitschrift sowie durch unermüdliches Werben für den Caritasgedanken bei den verschiedensten Konferenzen und Versammlungen der katholischen Vereine wie Mitgliedern der Diözesanverwaltungen arbeitete Werthmann nun gezielt auf eine alle Katholiken in Deutschland umfassende Caritasorganisation hin.

Gründung des Deutschen Caritasverbandes

Zu der mit den führenden Köpfen sorgfältig vorbereiteten Gründung des „Charitasverbands für das katholische Deutschland“ kam es schließlich am 9. November 1897 in Köln, wobei Lorenz Werthmann zu dessen erstem Vorsitzenden gewählt wurde. Dafür wurde er von seinem Erzbischof von den Pflichten eines Angestellten im Ordinariat befreit, für Werthmann selbst blieb die vielfältige Sorge um die Italiener in ganz Deutschland ein mit besonderer persönlicher Hingabe betriebenes Anliegen. 1898 trug ihm die Unitas Freiburg die Ehrenmitgliedschaft an, wodurch Lorenz Werthmann auch Ehrenmitglied des Unitas-Verbandes wurde.

Unablässig und zäh suchte Werthmann vor allem auf die bereits zahlreichen caritativen Vereinigungen aufzubauen, ihnen Struktur und organisatorischen Rahmen zu geben. Dazu zählte auch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Er war in ganz Deutschland persönlich ständig unterwegs, führte die Schriftleitung der Zeitschrift „Caritas“ bis kurz vor seinem Tod und begründete er weitere Periodika wie „Die christliche Frau“, das heute noch bestehende „Jahrbuch des Caritasverbandes“ sowie die jetzt unter dem Namen „Jugendwohl“ und „Krankendienst“ erscheinenden Zeitschriften. Zahlreiche Broschüren und Kleinschriften mit allgemeinverständlichen Überblicken zu sozialpolitischen und fürsorgerischen Themen entstanden, aber auch eine Bibliothek zur Bereitstellung allen für die Caritasarbeit relevanten Wissens. Aufgelegt wurde ein umfangreiches Kurs- und Schulungs-, später auch ein Lehrgangsprogramm zur besseren fachlichen Qualifizierung der professionellen und ehrenamtlichen Helfer und Werthmann initiierte eine Caritasschule, in der hauptamtliche Mitarbeiter ein bis zwei Jahre lang auf ihren Einsatz vorbereitet werden sollten. Doch er kämpfte auch für die Einbeziehung der Caritasarbeit in die Lehrpläne des Theologiestudiums: An den Universitäten Münster und Freiburg wurden daraufhin caritaswissenschaftliche Lehraufträge eingerichtet.

Reibungen und Konflikte

Für seinen Erfolg sicher entscheidend waren sein ausgesprochenes Organisationstalent, ein unermüdlicher Fleiß, seine Energie, Hartnäckigkeit, Leidenschaft und Entscheidungskraft sowie seine rhetorische und sprachliche Darstellungskraft. Besonders bei internationalen Begegnungen kam ihm die Beherrschung mehrerer Fremdsprachen zugute. Seine schonungslose Arbeit galt nicht zuletzt für ihn selbst: Die ständigen Reisen des „Workaholics“ zehrten an seiner Gesundheit.

Doch sein lebhaftes Temperament und Ungeduld führten auch zu Reibungen und Konflikten. Sein Hang zu alleinverantwortlichem und eigensinnigem Handeln, seine ungestüme Art und seine fast unüberschaubaren Aktivitäten führten dazu, dass die offizielle Anerkennung des Caritas-Verbandes als Zusammenfassung und Repräsentant der organisierten Sozialarbeit der Katholischen Kirche in Deutschland durch die Bischöfe erst sehr spät kam: Am 23. August 1916, erst fast 19 Jahre nach der Gründung erfolgte sie auf Beschluss der Fuldaer Bischofskonferenz. Ein besonderes Kapitel ist Werthmanns Eintreten für die deutsche Kolonialpolitik: Er setzte sich für die Abschaffung der Sklaverei ein, plädierte aber auch im Namen des „Kulturfortschritts“ nach dem ersten Weltkrieg für Kolonien, um die Welt zu christianisieren.

Hohe Ehrungen

Gleichwohl wurde Bbr. Lorenz Werthmann für seine großen Verdienste sowohl von kirchlicher als auch staatlicher Seite hoch ausgezeichnet. Nachdem er 1900 zum Päpstlichen Ehrenkaplan (Monsignore) ernannt worden war, erfolgte 1913 die Ernennung zum Päpstlichen Ehrenprälaten sowie einige Wochen vor seinem Tod die Verleihung der höchsten Prälatenwürde, der des Apostolischen Protonotars. Von staatlicher Seite wurde vor allem sein Einsatz für die Kriegswohlfahrtspflege (Versorgung der Kriegsverwundeten, Betreuung Kriegsbeschädigter, Sorge für die Familien der Soldaten, die Hinterbliebenen, die Flüchtlinge, Unterbringung von Stadtkindern auf dem Land u.ä.) während des Ersten Weltkriegs ausgezeichnet. 1920 verlieh ihm die Medizinische Fakultät der Universität Freiburg die Ehrendoktorwürde.

Unermüdlich widmete sich Werthmann dem weiteren Aufbau des Verbands, auch seine gesamten privaten Geldmittel flossen in sein Werk. Die letzten drei Monate seines Lebens verbrachte er schwer herzkrank im Josefskrankenhaus in Freiburg. Dort tagte noch vier Tage vor seinem Tod im April 1921 der Zentralrat des Caritasverbandes, dem er dabei gestand: „Ich habe mein ganzes Leben für die Organisation der Caritas eingesetzt. Ich habe es getan, ohne zu wissen, wie wohltuend die Einrichtungen sind. Jetzt erfahre ich es am eigenen Leib.“ Er starb am 10. April 1921.

Die Caritas: Ein Vermächtnis

Der deutsche Caritasverband, heute größter Wohlfahrtsverbandes in Deutschland, zählt in bundesweit mehr als 20.000 Beratungsstellen, Pflegeheimen und anderen sozialen Initiativen rund 700.000 Hauptamtliche und noch einmal so viele ehrenamtliche Mitarbeiter. Zu Ehren des Caritasgründers gab die Deutsche Post zu seinem 150. Geburtstag eine 55 Cent-Sonderbriefmarke heraus. Sie zeigt Werthmann und das Logo des Verbandes, das Flammenkreuz. Bereits 1954 war Bbr. Lorenz Werthmann schon einmal von der Post mit einer Briefmarke im Satz „Helfer der Menschheit“ gewürdigt worden.

C. Beckmann

 

Anmerkungen:

Der Artikel fasst verschiedene Meldungen zu den Jubiläumsfeiern zusammen und folgt im Wesentlichen dem Lebensbild „Lorenz Werthmann“ von Bbr. Dr. Lambert Stamer im UNITAS-Handbuch Bd. I, S. 369.

Für jeden Interessierten sicher eine Anschaffung wert ist die zitierte Schrift „Lorenz Werthmann, Caritasmacher und Visionär“ von Peter Neher, Ingeborg Feige, Andreas Wollasch, Hans-Josef Wollasch (Hrsg.), erschienen im Lambertus-Verlag, Freiburg 2008, ca. 120 Seiten, zahlreiche sw-Abbildungen, 9,90 Euro; ISBN 978-3-7841-1853-6. Sie versammelt folgende Aufsätze: Lorenz Werthmann – eine große Caritasgeschichte wirkt bis heute / Peter Neher; Lorenz Werthmann: Sozialreformer mit konservativer Ausrichtung / Andreas Wollasch; Lorenz Werthmann 1858–1921. Gründer des Deutschen Caritasverbandes / Hans-Josef Wollasch; Gründung der Ausbildungsstätten beim DCV / Hans-Josef Wollasch; Die Geschichte der Caritas-Bibliothek / Ingeborg Feige; Von der „Charitasdruckerei“ zum Lambertus-Verlag. Eine ungewöhnliche Verlagsgeschichte / Andreas Wollasch; Von der Zeitschrift „Caritas“ zur „neuen caritas“ / Hans-Josef Wollasch.